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Aus den Akten (3)


Bei "Bürgermeister" Heinrich Göckel hören sich die Vorgänge rund um die Zerstörung der Synagoge in Langen ganz anders an.

Langen, den 21. Juli 1947 -Vernehmung- Auf Vorladung erscheint der Bürgermeister a.D. Heinrich Göckel geboren am 15.4.1883 in Dietzenbach/Kreis Offenbach, verheiratet, wohnhaft in Langen, Dieburgerstr. 2. Mit dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt gemacht und zur Wahrheit ermahnt, erklärt zur Sache folgendes:

Am Tage des Synagogenbrandes, das genaue Datum kann ich heute nicht mehr angeben, arbeitete ich in meinem Dienstzimmer auf der hiesigen Bürgermeisterei. Plötzlich ertönte die Brandsirene. Ich ging sofort in mein Vorzimmer, um mich nach dem Grund der Alarmierung zu erkundigen. Dort wurde mir von dem Oberinspektor Umbach (unter Vorbehalt) oder einer anwesenden Person (in meinem Vorzimmer als Bürgermeister war ständig reger Publikumsverkehr) gesagt, dass die Synagoge brennen würde. Daraufhin begab ich mich sofort an die Brandstelle. Bei meinem Eintreffen war die Feuerwehr bereits mit den Löscharbeiten beschäftigt und eine größere Menschenmenge versammelte sich dort. Instinktmäßig vermutete ich sofort eine Brandstiftung, da kurz vorher in Neu-Isenburg ebenfalls die Synagoge niederbrannte und nach Meinung der Öffentlichkeit ebenfalls dort Brandstiftung vorlag. Da die Gegenmassnahmen der Feuerwehr liefen und ich z.Zt. nichts weiter tuen konnte, ging ich die Dieburgerstr. herunter in meine Wohnung. Dort sprach ich mit meiner Ehefrau über den Brand. Ich war sehr erregt und brachte unumwunden meiner Frau gegenüber zum Ausdruck, dass solche Bubenstreiche in der Öffentlichkeit nicht verstanden und abgelehnt würden. Diesem Gespräch wohnte die Frau Kohl, die an diesem Tage als Waschfrau bei uns beschäftigt war, bei. Nachdem ich Kaffee getrunken hatte, ging ich wieder ins Rathaus. Am gleichen Tage, ob vor- oder nachmittags, habe ich mit Herrn Umbach über die Brandlegung gesprochen und dabei meinen Abscheu über diese Tat zum Ausdruck gebracht.

Des weiteren habe ich zu Hause am Mittagstisch in Gegenwart aller Bediensteten offen meinem Unwillen über diese Tat Ausdruck gegeben. Ich benenne dabei als Zeugen den damaligen Gespannführer im Betrieb meines Schwiegersohnes, Herr Hans Heinz, Langen, Bachschule oder meine Kinder oder meinen Schwiegersohn.

Als Bürgermeister habe ich seinerzeit veranlasst, dass über den Synagogenbrand eine ordnungsgemässe Brandmeldung an meine vorgesetzte Dienststelle durch den Sachbearbeiter Herrn Umbach oder durch die Polizei gefertigt und abgeschickt wurde.

Die polizeilichen Ermittlungen über die Brandlegung verliefen damals ergebnislos. Für mich stand fest und dieses war auch die öffentliche Meinung, dass es sich dabei um eine gross angelegte Aktion seitens der Partei handelte. Meiner Ansicht nach muss der damalige Ortsgruppenleiter Barth über die Vorgänge gewusst haben.

Die Aussagen des Wilhelm Heinrich Barth (...) wurden mir auszugsweise, soweit sie meine Person betreffen, im Worttext vorgelesen. Ich habe darauf folgendes zu erwidern:

Die Angaben, die meine Person betreffen, sind unwahr und vollkommen aus der Luft gegriffen. Ich bleibe bei meinen Aussagen vom 21.7.47, da sie der Wahrheit entsprechen. Ich möchte zu diesem Punkt den ehemaligen Oberinspektor Umbach als Zeugen benennen, der damals in meinem Vorzimmer sass und es unmöglich war, zu mir ins Zimmer zu kommen, ohne durch das Vorzimmer zu gehen.

Die Aussagen des Wilhelm Görich (...) wurden mir vorgelesen. Darauf habe ich folgendes zu erwidern:

Ich habe niemals über derartige Dinge mit Görich gesprochen und auch nie diesen oder einen ähnlichen Befehl oder Anweisung gegeben. Mir sind die Aussagen des Gör. vollkommen unverständlich und ich weise sie ebenfalls als unwahr zurück.

Heinrich Göckel ist Anfang 1948 gestorben, in einem Strafverfahren konnte er selbst also nicht mehr aussagen.


     
  Heinrich Göckel  
     
Heinrich Göckel


10.11.21 21:11 breiter Kristof [0 Kommentare]