Ernst Flöel Pfarrer in Langen, er wohnte in der Bahnstraße 1. Zuvor war er Pfarrverwalter in Langen, aber auch in Darmstadt tätig. In einem Nachruf (Darmstädter Tagblatt 4.5.1915) heißt es blumig über ihn:
Er war zuletzt Pfarrer in Langen, steht aber in Darmstadt als mehrjähriger Assistent der Petrus- und Paulusgemeinde noch in bester Erinnerung. ... Sein heiteres, liebenswürdiges Wesen, sein gediegener, vornehmer Charakter haben ihm überall die Herzen gewonnen.
Berührungsängste mit dem Militärischen hatte er offenbar nicht. Wir lesen in der Langener Zeitung vom 4.9.1973 (in der Rubrick "Vor 60 Jahren"):
Der Veteranenverein Langen verband am 16. und 17. August 1913 mit einer Gedenkfeier an die Schlacht von Gravelotte im Siebziger Krieg sein 40jähriges Bestehen. Am Samstagabend marschierte der Verein zum Auftakt an das
Kriegerdenkmal, wo Pfarrar Lic. Flöel die Gedächtnisrede hielt. Am Sonntag fand unter Beteiligung des Militärvereins eine Kirchenparade statt. Auch hierbei sprach Pfarrer Flöel.
Mehr noch, bei Ausbruch des Krieges zog es ihn selbst an die Front. O.g. Nachruf schreibt dazu:
Beim Ausbruch des Krieges konnte ihm sein Wunsch, als Feldprediger mitzugehen, nicht erfüllt werden, da stellte er sich zur Waffe, und war nun beides in einem: Soldat und Pfarrer. Mit dem Reserve-Infanterie-Regiment 221 rückte er als Unteroffizier im Oktober aus, wurde aber bald zum Offizier-Stellvertreter ernannt. Seine Mannschaft hat ihn über alles verehrt. In manchen Feldgottesdiensten wußte er seine Kameraden zu edelster Pflichterfüllung anzufeuern, und was Tapferkeit heißt, hat er ihnen vorgelebt.
Flöel reichte es nicht, nur seine Kameraden anzufeuern, er schrieb im November 1914 auch einen pathetischen Leserbrief an den "Allg. Anz. für Langen und Umg." (übernommen vom mehreren anderen Zeitungen, u.a. dem Lauterbacher Anzeiger am 1.12.1914):
Gott zum Gruß, meine liebe Langener Gemeinde! Als vor etwa sechs Wochen unser hessisches Oberkonsistorium den Pfarrern Hessens die Erlaubnis gab, als aktive Soldaten in der Front an dem gewaltigen Ringen teilzunehmen, in dem es um Deutschlands höchste Güter geht, da erlebte mancher junge Pfarrer im Hessenlande eine Befreiung von schwerem inneren Drucke. Millionen Männer, die Blüte unseres Volkes, standen draußen, um ihr Höchstes, das Leben einzusetzen für das Vaterland. Aber wir Pfarrer mußten, durch das Gesetz gebunden, zurückstehen. Wir Pfarrer, die wir immer gepredigt haben vom Opfer, wir sollten nun zu Hause bleiben, wo die anderen alles auf das Spiel setzten, Gesundheit und Lebensglück. - Das lag schwer auch vielen von uns. Wie bloße Mundhelden, wie Wortbrüchige kamen wir uns vor gegenüber dem Evangelium der Liebe, das wir verkündet, der Liebe, die alles teilt mit den Brüdern, die alles tut für sie. - Jene Erlaubnis aber machte uns das Herz wieder frei. Nun durften ja auch wir zur Fahne, nun durften auch wir das Schwerste mit unseren Brüdern tragen, das Schwerste! Gewiß, zu Hause gibt es in dieser Kriegszeit auch Schweres zu tragen. Aber, ich weiß es nun aus Erfahrung, das Schwerste liegt auf denen, die draußen stehen. Was man erlebt, wenn man in den Kugelregen hineinmarschiert, wenn man vier Tage lang, wie unser junges Regiment 221 in der letzten Woche, in kleinen Erdlöchern sitzend das Höllenkonzert der Granaten und Schrapnelle und Surren der Gewehrkugeln um sich hat, wenn einem der Tod jede Minute umlauert und wenn selbst beim Ausruhen in der Reserve die Granate jeden Augenblick das schützende Dach durchschlagen kann, unter dem man 1-2 Tage einmal Ruhe und Schutz gegen die Unbilden der Witterung findet, das alles vermag ich in Worten nicht auszudrücken. Es ist etwas Schweres, aber es ist auch etwas so wunderbar Großes und Herrliches, wie ich es mir vorher nicht vorzustellen vermochte. Da erlebt der religiöse Mensch in tiefster Seele die vollständige Richtigkeit (Nichtigkeit?) seiner persönlichen Existenz, und das Bewußtsein der restlosen Abhängigkeit von Gott geht ihm auf, zunächst vielleicht zerschmetternd, dann aber um so beseligender und wunderbarer. Und da bekommt man schließlich auch im Schützengraben oder beim Vorstürmen einen fröhlichen Mut, daß man gegen Abend in seinem Graben, an die lehmige Wand geschmiegt, sanft und ruhig schläft wie ein Kind und beim Vorgehen durch den Kugelregen denkt: Ja, pfeift ihr nur, auch ihr seid Werkzeuge in meines Vaters Hand, und was er mir durch euch schickt, muß alles mir zum Besten dienen. - Und die das alles gemeinsam miteinander erleben, die werden wirklich Brüder. Da gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Arbeitern und Studierten. Und danach habe ich mich gesehnt von Grund meines Herzens, als Bruder anerkannt zu werden von den Geringeren meines Volkes. Sollte die Hoffnung trügerisch sein, daß das alles so bleiben wird, wenn wir, will's Gott, einst wieder heimgekehrt sind? Ich kann es nicht glauben. Wenn wir aber nicht wiederkehren, dann soll unser Tod ein um so festeres Band werden für die innere Einheit unseres Volkes. Wehe denen, die sie stören wollen. Es sind die Sünder wider den heiligen Geist, von denen Jesus sagt, daß ihnen allein keine Vergebung zuteil werden kann. - Doch hoffen wir auf ein frohes Wiedersehn! Bis jetzt haben wir vier Langener in unserer 2. Kompanie Strapazen und Feuer alle gut überstanden. Die junge Mannschaft hat sich ausnahmslos sehr wacker gehalten und verdient für ihre Tapferkeit alle Bewunderung. Gebe Gott, daß es auch weiter so sein möge.
Für seine Tapferkeit - oder seine Einstellung oder seinen fröhlichen Mut - wird Flöel dann auch ausgezeichnet. Der Oberhessische Anzeiger verkündet am 6.1.1915:
Friedberg. Das Eisene Kreuz hat auch Herr Pfarrer Flöel, Sohn der Frau Flöel hier, erhalten. Herr Flöel steht bei einem hessischen Reserve-Regimente in Russland.
Daran konnte er sich aber nicht lange erfreuen. In seinem Nachruf findet sich:
Das schlichte Kreuz aus Eisen schmückte auch seine Brust. Am letzten Tage des alten Jahres traf ihn das totbringende Geschoß.
Er starb also am 31.12.1914. Am 10.1.1915 erschien seine Todesanzeige im Darmstädter Tagblatt.