Leider ist mir nicht ganz klar, wie die Feldpostkarten aus dem ersten Weltkrieg, die ich z.Zt. sortiere, zustande gekommen sind. Neben allgemeinen Motiven zeigen die meisten doch offenbar aktuelle Fotos aus dem Frontbereich des Absenders, zum Teil auch Schnappschüsse mit der Person selbst. Alle Fotos (auch viele unversendete) haben aber "Postkartenrückseiten". Möglicherweise gab es einen Kompaniefotografen, der in geringer Auflage vor Ort sein Bilder als Postkarten abgegeben hat. Möglicherweiser hat er auch als mobiles Fotolabor Abzüge von Fotos der Soldaten gefertigt. Über dieses Prozedere ist mir aber leider nichts bekannt.
Es entsteht beim Betrachten und Lesen der Postkarten ein sonderbarer Eindruck. Denn obwohl es durchaus eine strenge Zensur der Post gab, wurden sehr profane und unheroische Motive zugelassen, im Kontrast zu dem, was ich aus dem zweiten Weltkrieg kenne. Die Zensur bzw. Propaganda kann man wohl noch als reichlich naiv bezeichnen.
Natürlich ist auf keinem Bild ein Toter, Verletzter oder irgend etwas zu sehen, das das Grauen des Krieges erahnen lässt. Die Texte nach Hause bestehen überwiegend aus Standardphrasen wie:
Liebe Eltern und Geschwister. Für euren lieben Brief vom 2ten meinen besten Dank, habe soeben seit einigen Tagen Halsentzündung, sonst geht es mir noch gut, was ich von euch allen auch hoffe. Mit bestem Gruss ...
Man sollte meinen, daß ein Mitglied des "
Füsilier-Regiments von Gersdorff (Kurhessisches) Nr.80" mehr mitzuteilen hatte als Halsweh (Reims, Verdun, das volle Programm).
Aber dann gibt es auch diese Schnappschüsse von zerstörten französichen Dörfern und Städten, die keinen Hauch von Heldentum, sondern in ihrer Plumpheit nur die Sinnlosigkeit dieses Krieges zeigen. Und in der Nachbetrachtung kommt einem zwangsläufig in den Sinn: "Natürlich müssen die Franzosen uns hassen!" Wo ausnahmsweise etwas nicht zerstört ist, da posieren deutsche Soldaten vor französichen Kirchen und deutschen Verbotsschildern.
Und so verdeutlichen auch diese Feldpostkarten einige Aspekte des so fatalen und einzigartigen Krieges:
- wie naiv man den Krieg begonnen hat, auch mit naiver Zensur
- Die Diskrepanz der Wahrnehmung in der sicheren Heimat, die kaum etwas mitkriegt vom sich stetig verschärfenden Grauen an den Fronten (Stellungskrieg, Trommelfeuer, Gaskrieg). Gerade dieser Punkt wird auch zu der Enttäuchung über den verlorenen Krieg beigetragen haben, und zum Unverständnis über die Massen von traumatisierten Soldaten, die schließlich zurückkehrten.