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Stadtrundgang Darmstadt (Teil 6)


Weiter geht es nun in der Nähe des Schlosses.

  • Bild 1: Wir stehen an der Kreuzung der Schirmgasse mit der Marktstraße und schauen auf die Schirmgasse Nr. 1. Es ist das Gasthaus "zur Sonne", in dem 1784 Friedrich Schiller übernachtete, und das eine entsprechende Gedenktafel trägt. 1902 entstand genau hier der Schillerplatz, der das rechts sichtbare Residenzschloß ein wenig von diesem doch allzu aufdringlichen Häuserblock befreite. Dieses Bild ist sicherlich einige Jahr vorher entstanden (siehe nächstes Bild). Genaue Auskunft könnten sicherlich die Plakate an der Wand geben, leider sind sie nicht deutlich genug zu erkennen.
  • Bild 2: Dieses Gasthaus "zur Sonne" wurde (laut Adressbuch) bis zum Schluß von Carl Elske oder Elscke geführt, davor bis 1894 von Friedrich Götsch und davor bis 1890 von Nicolaus Roth. Hier haben wir nun ein weiteres Bild der "Sonne" mit renovierter Fassade. Der Schriftzug scheint neu angebracht zu sein, auch der Putz an der Hausecke ist nun repariert. Wenn man davon ausgeht, daß diese Renovierungsarbeiten bei einem der genannten Besitzerwechsel durchgeführt wurden, so könnte dieses Bild "zwischen 1890 und 1902" und obigens Bild 1 "vor 1895" entstanden. Das ist natürlich reine Spekulation, denn auch in den Jahrzehnten zuvor hat der Wirt der "Sonne" häufig gewechselt.
    Wir schauen übrigens die Marktstraße entlang Richtung Markt. Links sehen den Laden von August Büchner (Kaufmann) und die Kleiderhandlung von Peter Daum (Marktstraße 15), dahinter das Haus des Kaufmanns Philipp Hess (Marktstraße 13) und rechts den Löwenbrunnen, der 1897 woanders hin versetzt wurde.
  • Bild 3: Schaut man genau in die Gegenrichtung, so sieht man wiederum den Löwenbrunnen. Dieses Bild ist bei der ULB auf "um 1894" datiert. Im Adressbuch von 1894 sind dort u.a. folgende Geschäfte aufgeführt: Joseph, Salomon, Lederhändler und Lehrbach, Wilhelm, Bürstenmacher (Schirmgasse 4), Dressel, Friedrich, Metzger (Gr. Ochsengasse 2), Jakob, J. Georg, Schuhfabrikant (Schirmgasse 6).
  • Bild 4: Das nächste Bild ist wenige Schritte weiter westlich in der Marktstraße aufgenommen worden. Das Eckhaus links ist Rittergasse Nr. 4 (1890: Herwegh, Ludwid, Gastwirth), dann folgen Marktstraße Nr. 4 (Nungesser, Ernst, Metzger) und Nr. 6 (Sprengel, Reinhold, Bäcker). Bei der Nr. 8 wird gerade gebaut. Bis 1896 ist hier ein "Galanteriewaarenhändler Hermann Jungmann" gemeldet. Dahinter in der Nr. 10 sehen wir knapp noch den Kaufmann Wilhelm Müller. Eine genaue Datierung ist mir bei diesem Bild nicht gelungen.
  • Bild 5: Wie erwähnt wurde der ganze Häuserblock zwischen Schloß, Rittergasse, Marktstraße und Schirmgasse 1902 ersatzlos abgerissen und der "Schillerplatz" entstand. Mit Blick vom Schloß aus sieht das dann ziemlich leer aus: "Schillerplatz vor dem Umbau des Hauses Philipp Heß 1903". Von links nach rechts: Schirmgasse 2 "Nathan, Siegfr., Lederhandlung (Geschäftslokal)", Schirmgasse 4 "Lehrbach, Wilhelm, Bürstenmacher" (siehe auch Bild 3), Schirmgasse 6 "Jakob, J. G., Schuhfabrikant" (siehe auch Bild 3), Marktstrasse 15 "Daum, Peter, Kleiderhandlung (Laden)" (siehe auch Bild 2), Marktstrasse 13 "Heß, Philipp, Kaufmann" (siehe auch Bild 2), Marktstrasse 11 "Kaiser, H. u. J., Kaffeegeschäft (Geschäftslokal) und Riehl, Heinrich, Metzger". Wir sehen hier also wohl eine frühe Filiale von "Kaiser's Kaffee". Wie das Haus von Philipp Heß nach dem Umbau ausgesehen hat, sieht man hier.
  • Bild 6: Der andere Häuserblock zwischen Rittergasse, Marktstrasse und Marktplatz blieb erhalten. Auf diesem Panorama vom Marktplatz aus gesehen erkennt man die neue Situation gut: Links das nun frei stehende Schloß, hinten der Schillerplatz wie in vorigem Bild, in der Mitte Marktplatz Nr. 12 ("Hof-Apotheke" von Franz Gros sowie Cords, Otto, Färberei (Laden) und Rettig, P., Samenhandlung, Firma, Geschäftslokal) und Marktplatz Nr. 11 1/2 (Braunwarth, Wilhelm, Colonialwaarenhandlung, Guthier, Mathäus, Metzger, Lotz, Jean, Schuhmacher), anschließend Marktsstrasse Nr. 1 (Schropp, Valentin, Schuhfabrikant), Marktplatz Nr. 11 (Günther, Hrch., Kaufmann, Inhaber der Firma Kasp. Schlosser) und Nr.10. Ganz rechts schließlich das "Rathhaus" mit der Nr.8.
  • Bild 7: Vom Marktplatz selbst gibt es viele Aufnahmen vom Schloß aus. Hier drei Beipiele. Sie alle sind vor 1902 aufgenommen, denn auf dem jüngsten der drei Bilder ist links an der Marktstraße Nr. 1 der Schriftzug "J.A. Zöpperitz" angebracht, den wir übrigens dort schon seit 1865 kennen. Ab 1902 ist dort Valentin Schropp (siehe Bild 6).
    Auffällig ist das prächtig-kitschige Gebäude der Firma "Diefenbach-Roemer" rechts (Ludwigsstraße 1), das dort bis 1944 stand. Leider weiss ich nicht, wann es gebaut wurde. Was ich aber weiss, ist daß es 1899 schon so ausgesehen hat, und daß der Besitzer des Hauses im Jahr 1893 von "Römer, Georg Ph., und Diefenbach, Joh. Wilh., Rentner" zu "Diefenbach, Georg Wilhelm, Kaufmann" wechselt.
  • Bild 8: Auf dem nächstälteren Bild ist das Diefenbach-Roemersche Haus in seinem ursprünglicheren, prosaischen Zustand zu sehen, später bekannt als "Mainzer Warenhaus" von Guggenheim und Marx. Rechts daneben das "Haus Gräff" Marktplatz 7 (1890: "Gräff, Georg u. Franz, Kaufleute"). 1860 taucht dort (damals noch als Marktplatz 15) der erste "Gräff" auf, nämlich "Gräff, Georg, Kürschnermeister".
  • Bild 9: Auf dem ältesten der drei Bilder hat eben dieses "Haus Gräff" noch seine Ursprungsform. Es handelt sich um das ehemalige Kametzky'sche Haus am Marktplatz. Im Hintergrund kann man schwach die Stadtkapelle erkennen, mit viel spekulativer Phantasie könnte das noch der Umriss der alten Stadtkapelle sein. Somit wäre dies eine sehr alte Fotografie von vor 1868.
  • Bild 10: Auf der Westseite des Marktplatzes gab es bis ins frühe 19. Jhd. ein sogenanntes "Marktpalais" sowie als Anbau das "Mecklenburgische Palais". Im Stadtlexikon Darmstadt gibt es ein Bild von Schnittspahn von dem Ensemble. 1822 gingen die Gebäude in Privatbesitz über und wurden -wann genau ist mir nicht bekannt- zu Geschäftsgebäuden umgebaut. Wir finden sie später auf den Karten mit den Hausnummern Marktplatz 3 und 2 (Marktpalais) und Nr. 1 (Mecklenburgisches Palais). Spätestens auf unserem Bild von 1894 sind die Gebäude zum Marktplatz hin stark verändert.
    Der Marktplatz ist anlässlich der Hochzeit von Großherzog Ernst Ludwig und Victoria Melita von Sachsen-Coburg und Gotha festlich geschmückt, die beiden Gebäude jedoch sind nicht wiederzuerkennen, Sie sind verblüffend schmucklos und je um ein Stockwerk höher. Das Adressbuch von 1894 sagt uns u.a.: Nr. 3 "Homberger, Ludwig, Ww. d. Kaufmanns. Rathgeber, Jacob, Eierhändler (Geschäftslocal).", Nr. 2 "Gaydoul, Franz, Kaufmann.", Nr. 1 "Heß, Gustav, Apotheker. Fuld, L.u.M., Kurzwaarenhandlung". Gustav Heß war seit 1879 Besitzer dieser "Hirsch-Apotheke", von der wir hier aber keinen Schriftzug erkennen können. Möglicherweise war Heß zu dieser Zeit schon in die Niederramstädter Str. 21 umgezogen, wo er dann 1895 im Adressbuch auftaucht.
    Das markante Haus ganz rechts ist Ernst-Ludwigs-Platz 4, das "Kaufhaus Schwab".
  • Bild 11: Kurze Zeit danach passiert einiges an dieser Stelle. Zunächst einmal kauft laut Stadtlexikon 1897 Siegmund Rothschild die Nr. 1 (also das ehemaligen Mecklenburgische Palais). Offiziell sieht das in den Adressbüchern jedoch etwas anders aus: Von 1895 auf 1896 wechselt der Eigentümer vom o.g. Gustav Heß zu "Schmitt, Gerhardt, Kaufmann", der auch in den Jahren darauf Eigentümer bleibt. Vermutlich erwirbt dieser Gerhardt Schmitt das Haus im Auftrag. Erst 1898 taucht "Rothschild, Sigmund, Kaufmann" im Adressbuch auf, dann jedoch als Bewohner. Wie dem auch sei, das Haus Nr. 1 wird deutlich aufgewertet und bekommt ein etwas höheres Mansardendach, Rothschild eröffnet hier ein Textilgeschäft. Die Nr. 2 und Nr. 3 (also das ehemalige Marktpalais) bleiben zunächst unverändert schlicht. Man kann die Situation gut links auf dieser Postkarte erkennen: links die schlichte Nr. 2/3, dann das aufgepeppte Haus von Rothschild, dahinter wieder Kaufhaus Schwab.
    Danach wird aber auch die Fassade der Nr. 2/3 stark aufgehübscht, möglicherweise in Anlehnung an die Anmutung des Palais. Überall nun Geländerchen, kleine Gauben, verspielte Fensterlaibungen, der Durchgang in der Mitte wird mit einem angedeuteten Türmchen betont. Wir sehen das auf unserem Bild von 1907, aber spätestens 1903 muss es schon so ausgesehen haben. Auf diesem Panorama von 1903 sind ganz links unverkennbar diese Fensterlaibungen zu sehen und daneben das Rothschild-Haus.
    Auf unserem Bild von 1907 schauen wir vom Marktplatz genau auf die Nr. 2/3. Bis auf den Zigarrenladen links sind alle Geschäfte verrammelt, im rechten Flügel (Nr. 2) sind zum Teil die Fenster entfernt. Der Grund ist, daß Rothschild "1907 den rechten Flügel des ehemaligen Marktpalais hinzukauft, ihn abreissen und 1908 durch einen zeitgemäßen Neubau ersetzen läßt." Wir sehen diesen rechten Flügel also kurz vor dem Abriss. Danach sah es dann -wiederum nur für wenige Jahre- so aus: Nr. 3 mit verspielten Ornamenten (linker Flügel Marktpalais), Nr. 2 neues Kaufhaus Rothschild (ehem. rechter Flügel Marktpalais), Nr. 3 erstes Haus Rothschild (Mecklenburgisches Palais) und danach Kaufhaus Schwab.
    1912 läßt Rothschild sein erstes Haus (Nr. 1, Mecklenburgisches Palais) abreissen und verdoppelt quasi sein neues Kaufhaus. Der linke Teil des ehemaligen Marktpalais (Nr. 3) bleibt meines Wissens bis 1944 unverändert. Zumindest 1936 sieht es auf diesem Luftbild noch gleich aus, hier ein Blick in den Hof aus dem selben Jahr.
  • Bild 12: Wieder das Marktpalais wie in Bild 11, diesmal aber von der Rückseite aus gesehen. Vermutlich auch zum selben Zeitpunkt, offenbar wird der Flügel Nr. 2 (in diesem Fall links) geräumt, um ihn abzureissen. Auch von dieser Seite gibt es ein Schnittspahn-Bild, hier wird deutlich, wie wenig sich im Innenhof doch verändert hat.
  • Bild 13: Nur wenig später beginnt der Abbruch der Nr. 2, ein Anblick, der mir auch mehr als 100 Jahre später im Herzen weh tut. Durch den Durchgang sehen wir übrigens die Laterne von Bild 11 und dahinter das Schloß.

Beim nächsten Mal besuchen wir mit unserem Stadtrundgang den Luisenplatz.


     
  Bild 1: zur Sonne  
     
Bild 1: zur Sonne

     
  Bild 2: zur Sonne  
     
Bild 2: zur Sonne

     
  Bild 3: Grosse Ochsengasse  
     
Bild 3: Grosse Ochsengasse

     
  Bild 4: Marktstraße  
     
Bild 4: Marktstraße

     
  Bild 5: Schillerplatz  
     
Bild 5: Schillerplatz

     
  Bild 6: Marktplatz und Schillerplatz  
     
Bild 6: Marktplatz und Schillerplatz

     
  Bild 7: Marktplatz  
     
Bild 7: Marktplatz

     
  Bild 8: Marktplatz  
     
Bild 8: Marktplatz

     
  Bild 9: Marktplatz  
     
Bild 9: Marktplatz

     
  Bild 10: Westseite Marktplatz  
     
Bild 10: Westseite Marktplatz

     
  Bild 11: ehem. Marktpalais  
     
Bild 11: ehem. Marktpalais

     
  Bild 12:  ehem. Marktpalais (Rückseite)  
     
Bild 12: ehem. Marktpalais (Rückseite)

     
  Bild 13:  ehem. Marktpalais (Rückseite)  
     
Bild 13: ehem. Marktpalais (Rückseite)

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13.08.21 14:04 breiter Kristof [0 Kommentare]